Beitrag von Edgar Kissling

Jeder ambitionierte Sportler wird sich selbst zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Athletenkarriere fragen müssen, ob er grundsätzlich bereit ist, rezeptpflichtige, leistungssteigernde Medikamente zu sich zu nehmen. Egal wie selbstverständlich die Verneinung dieser Frage und der Nicht-Gebrauch eben jener Medikamente auch für den Großteil der Leser hier sein mögen, dieses muss letztendlich erst einmal für sich selbst festgehalten werden. Manche durchlaufen zu diesem Zweck, bewusst oder unbewusst, eine längere Phase der Abwägung, die meisten jedoch, und dazu zähle ich mich selbst, entscheiden sich  intuitiv für das naturale Bodybuilding. Moral, Gesetz und Gesundheit liefern eindeutige Argumente, welcher Standpunkt, zumindest objektiv, der Richtige ist. 

Die Gesundheit lässt sich nicht austricksen 

Nun mag der eine oder andere anbringen, dass es genug Bodybuilding-Verbände gibt, die den Gebrauch von Steroiden zumindest mittelbar dulden, da sie nicht aktiv gegen Missbrauch vorgehen und dadurch des Weiteren ein Umfeld schaffen, welches zum Medikamentenmissbrauch verleitet, da ja “eh jeder was nimmt”. Dadurch meint man gesetzliche oder moralische Bedenken aushebeln zu können. Aber selbst, wenn man dies gelten lässt, bleibt immer noch die Gesundheit zu beachten, welcher durch intellektuelle Verrenkungen nicht so einfach beizukommen ist. Aufgrund der in den sozialen Medien steigenden Beliebtheit verschiedener Profi-Bodybuilder schleicht sich seit Jahren eine mittlerweile häufig zu beobachtende “lockerere” Einstellung zum Doping ein. Die Gesundheit werde schon nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen, wie es von mahnenden Sportlehrern und Ärzten seit jeher gebetsmühlenartig wiederholt wird, wie könnten sonst so viele, über etliche Jahre so erfolgreich und (augenscheinlich) gesund sein? Wie gefährlich der Medikamentenmissbrauch ist, kann man seltenst im Verlauf weniger Jahre, sondern viel mehr über die Betrachtung von Jahrzehnten beobachten. Das Denken in großen Zeitabständen, weit in die Zukunft, fällt Menschen naturgemäß schwer. Jeder trifft derzeit vielleicht Entscheidungen, die sich zum jetzigen Zeitpunkt absehbar langfristig eher negativ auswirken werden. Deshalb möchte ich hier eine Entscheidungshilfe in Form einer Analogie darlegen, die für jeden, ganz ohne abgeschlossenes Medizin- oder Biochemiestudium, verständlich ist. 

“Du Maschine!”

Man kann den menschlichen Körper als Bio-Maschine betrachten und mit einem Auto vergleichen. Der Körper besteht aus verschiedensten Komponenten: Arme, Beine, Organe, Gehirn, Nerven etc. Das Gleiche gilt analog für ein Fahrzeug. Es hat vier Reifen, einen Motor, Steuergeräte und weitere Subsysteme. Die etliche Jahre in Anspruch nehmende Entwicklung eines Fahrzeuges hat zum Ziel ein Gefährt zu schaffen, dessen Einzelteile in solch einer Weise aufeinander abgestimmt sind, dass es möglichst lange und sicher fährt. Ähnlich wurde der menschliche Körper durch Jahrmillionen der Evolution hervorgebracht. Dieser mag nicht fehlerfrei sein, hat jedoch eine recht hohe biologische Lebenserwartung und ist bezüglich seiner Leistungen nirgends wirklich schlecht, noch, abgesehen von der Intelligenz, ausgesprochen gut – ein echter Allrounder. Die Leistungsparameter bewegen sich in den von der Genetik vorgegebenen Grenzen. Die verschiedenen Ausprägungen, die ein jeder von uns in verschiedenen Bereichen hat bewegen sich meist in der von der Natur vorgesehenen Toleranz, sodass die Funktionsfähigkeit meist gegeben ist.


Gamechanger 

Will man die Leistungsparameter eines Fahrzeuges steigern, so hat man dazu viele Möglichkeiten. Die Nutzung spezieller Kraftstoffe, das Verändern der Motorenelektronik oder gar die Veränderung des (gesamten) Motors sind dabei denkbar. Doch wie wirkt sich dies langfristig auf das Fahrzeug aus? Die Erhöhung der Leistung bringt das System aus dem Gleichgewicht. Die Bauteile wurden nicht für diese Leistung ausgelegt. Sie verschleißen schneller, weit vor Ablauf der eigentlichen Lebensdauer, oder gehen urplötzlich zu Bruch, weil die punktuell wirkenden Kräfte schlicht zu hoch sind. Ausreizen dieser Toleranzen samt Austausch wichtiger Komponenten ohne Berücksichtigung der anderen Bauteile führt unweigerlich zu einem Systemversagen, da das ursprüngliche, eine lange Lebenszeit garantierende Gleichgewicht nicht mehr gegeben ist. Der Missbrauch von Medikamenten ist mit diesem “punktuellen” Tuning, ohne Rücksicht auf das große Ganze, vergleichbar. Medikamentenmissbrauch erlaubt es dem menschlichen Körper quasi fettfrei 150 kg auf die Waage zu bringen. Vor Vorhandensein gängiger Dopingmittel wäre dies buchstäblich “unmenschlich”, vergleichbar mit einem Zehn-Meter-Hochsprung ohne Hilfsmittel – die Genetik hat so etwas nie vorgesehen. Entsprechend ist das menschliche System nicht auf solch einen Gebrauch ausgelegt. Das Skelett, die Organe und letztlich auch die häufig bei diesen Betrachtungen vernachlässigte Psyche, letztere oftmals nicht in der Lage die Folgen des Medikamentenmissbrauchs zu verarbeiten, werden unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen. Körper und Geist verschleißen entweder weit vor Ende ihrer auslegten Nutzungsdauer oder gehen urplötzlich zu “Bruch”, weil sie nie geschaffen worden sind, um in einem von Dopingmittel geschaffenen Leistungsbereich zu operieren.