Liebe Leserinnen, heute widme ich mich der Vorbereitung auf einen Wettkampf der Bikiniklasse. Diese Klasse ist die kleinste Klasse der weiblichen Wettkampfkategorien, doch sie wurde sehr schnell sehr populär. Da ich selbst ausschließlich als Bikiniathletin startete, maße ich mir über die Bikinklasse hinaus nicht an Dir Tipps auszusprechen. Vielleicht dienen einige Inhalte jedoch auch anderen Athletinnen als Denkanstoß.

Du benötigst einige Voraussetzungen für die Teilnahme als Frau an einem Bodybuildingwettkampf: In der von Schönheit geprägten Bikiniklasse solltest Du zuallererst geerdet sein. Nur weil es „in“ ist und Du gerne etwas darüber in Deinem Social Media Profil veröffentlichen willst, gleicht einem Ausschlusskriterium. Du darfst bessere Beweggründe haben, um an einem Wettbewerb der mitunter anspruchsvollsten Sportart der Welt teilnehmen zu wollen. Du benötigst stattdessen treue Begleiter in diesem Sport, egal welches Geschlecht Du hast und wo Du starten willst. Lebst Du gesunde Ernährung und regelmäßiges Training, ohne dass es Dich Mühen kostet? Erzielst Du gute Fortschritte dabei? Liegt es Dir einfach und Du besitzt ein Talent dafür? Deine Genetik ist nicht schlecht? Glückwunsch! Du hast Du die besten Voraussetzungen! Hast Du nun noch unbändige Lust auf das nächste Level, nämlich Deine Vorbereitung zu starten? Perfekt! Worauf wartest Du noch?

Liebe Leserinnen,

eine Kolumne erscheint mir das richtige Format zu sein, mir auch mal etwas von der Seele zu schreiben. Diesmal geht es dabei um ein Phänomen, dem ich zum Glück immer entkam, auch wenn ich zugegeben einmal scharf an der Kante segelte – wie man so schön sagt. Es geht um das Essverhalten nach einer Wettkampfdiät.

Ich selbst war davon nach meiner Herbstsaison 2018 nahezu betroffen. In kurzer Zeit wanderten mir 2-3 Kilogramm zuviel auf die Waage, die ich eigentlich vorab vermeiden wollte. Heute klingt es nach Jammern auf hohem Niveau, denn grundsätzlich lag es einfach an folgendem: Meiner kurzen Off-Season. Kann man sagen, ich wollte sie maximal „nutzen“? Ich weiß es nicht. Ich schoss etwas über das Ziel hinaus.

Fangen wir aber an Tag 1 und von vorne an: Mein Wettkampf war eines Tages vorbei. Ich sitze im Anschluss mit meinem Ehemann im Hotelzimmer. Wir genießen Antipasti, leckeren Salat und knusprig saftiges Hähnchen. Als wir satt sind, hören wir auf zu essen. Dass es anders geht, schildert folgende Erfahrung. Wahre Geschichte:

Ich durfte einmal folgendes live miterleben: Der Wettkampf eines Freundes war vorbei. Noch auf dem Zimmer aß er Riegel. Weiter ging´s zum Buffet am Bankett (er aß für 3). Nachdem er alles probiert hatte, gab es Sushi gefolgt von Döner auf dem Weg zu McDonalds. Der Morgen begann mit Frühstücksbuffet (er aß für 2). Im Anschluss zum Italiener: Pizza. Nudeln. Und Kuchen. Welcher? Mhm… 1 Stück von jedem! Dann Riegel auf der Fahrt zum Burger King und ein Eis am Stiel an der Tankstelle im Anschluss.

Feuer frei. So lautet oftmals die Devise. Ich denke immer daran, dass Spaß mein Antrieb einer Wettkampfvorbereitung ist. Ich weiß nicht, ob es für manche Qual ist, wenn sie nach dem letzten Auftritt so zielgerichtet agieren. Mir scheint oft, nicht wenige andere sind mir bereits einen Schritt voraus: Bereits vor dem Wettkampf wird mit Nutella geladen. Und Schokolade. Der Wettkampf ist noch nicht mal vorbei und es wird äußert „un-clean“ gegessen. Doch das reicht oft nicht. Das ist okay. Als Belohnung einen Stapel im Burger-Restaurant zu verdrücken gönne ich gerade den männlichen Athleten. Die mussten wirklich leiden.

Rebound

Der sogenannte Rebound-Effekt ist die zügige Zunahme an Körpergewicht durch Aufnahme eines Berges an Nahrung in kurzer Zeit nach einem Wettkampf. Vor allem zieht man Salz und Wasser. Jedoch auch nur dann in Massen, wenn vorab auch Massen an Essen vertilgt wurden.

Dieser Effekt ist äußert ungesund. Organe und das Kreislaufsystem werden regelrecht geschockt. Elektrolyte, Volumen, Energie im Überfluss, Verdauung u.v.m. – ein echter Knockout für die Beweggründe des Sports: Lautet der Grundgedanke nicht, gesund, stark, in Form und ein Vorbild zu sein?

Manche merken instinktiv, dass dieses Verhalten keine Lösung ist. Zurück in der Routine kann man mit ein wenig Disziplin wieder in Form kommen. Auch wenn Du nun mehr Disziplin benötigst als ein vernünftiger Athlet. Schickst Du den Rebound nicht retour, bekommst Du ernste Schwierigkeiten.

Essstörung

Ich wählte postkompetitives Essverhalten nicht als Thema, weil ich kein Problem damit habe und anderen Fehler aufzeigen will. Vielmehr hat mich dieses Thema regelrecht heimgesucht. Ich arbeite beruflich in der Personal Trainer Branche und helfe meinen alltäglichen Klientinnen auch bei ihrem Ernährungsverhalten. Integration von Gewohnheiten ist dort ein Schlüssel zum Erfolg. Das blieb nicht unbemerkt.

Andere Athletinnen einiger Verbände, mit denen ich Kontakt hatte, klagten mir daraufhin ihre Leidensgeschichte. Dies zeigte mir persönlich die Schattenseite der Bikini-Szene auf, von der ich bereits viel hörte:

Von einer sechsmonatigen, erfolglosen Diät, weil eine Athletin ihr Essverhalten nicht unter Kontrolle hatte bis hin zu Gewichtszunahmen um 50% (!). Von regelrechten Fressflashs nach dem ersten Wettkampf der Saison bis hin zur Stornierung aller Folgewettkämpfe. Kistenweise Süßigkeiten, Cookies, Snacks und dem täglichen Buffet. Essens-Challenges und enorme Kalorienbombem voll mit unnötigem Industriezucker und nachweislich gefährlichen Transfetten.

Hat das etwas mit gesundem Lifestyle zu tun?

Meine Frage lautet daher recht einfach. Ich bitte Dich, sie Dir ehrlich zu beantworten:

Lebst Du Bodybuilding? Oder liebst Du nur die Bilder der besten Athleten an wenigen Tagen im Jahr?

Ich brauche Dir nicht zu erklären, welche Antwort vermutlich richtig ist. Nur eins ist klar:

  • In beiden Fällen betrittst Du nach harter Arbeit eine Wettkampfbühne und bekommst den Lohn eines langen, anstrengenden Weges.
  • Doch nur im ersten Fall verlässt Du die Bühne als gesunder, reflektierter Athlet auf dem Weg zurück in den Alltag.
  • Im zweiten Fall ist der Preis, den Du für diesen Aufwand zahlst, vermutlich zu hoch. Das sage ich stellvertretend für Athletinnen, die ich scheitern sah

Doch was ist zu tun, wenn Du feststellst, dass Du in diesen Strudel geraten bist? Trotz aller Lifestyle- und Alltags-Athleten ist keiner von diesem Risiko ausgenommen, ich selbst auch nicht.

Rede mit Vertrauten darüber. Vermutlich wird Dir kein Freund oder Partner dabei fachlich helfen können – aber der erste Schritt ist sich jemandem anzuvertrauen. Du darfst darüber reden. Fehleinschätzungen eines Verhaltens ist nur menschlich!

Der nächste Schritt geht zur professionellen Hilfe. Ansprechpartner Nr. 1 sollte Dein Vorbereiter sein, sofern ihm Deine Situation nicht längst ins Auge fiel. Wenn er es duldet und Du jedoch nicht, solltest Du Dich nicht damit zufriedengeben. Wichtig ist nur, wie Du Dich fühlst. Willst Du etwas ändern, suche Veränderer!

Halte Dich fern von der Szene. Profile sozialer Medien mit #ripped-Bildern (für die Jungs) und #babyabs-Selfies (für die Mädels) sind nicht die Wahrheit! Also lass Dich auch nicht durch tägliches Aufhalten auf solchen Plattformen belügen. Sie machen Dir ein unfair schlechtes Gewissen ohne Grund.

Athleten oder Athletinnen, denen es ähnlich geht wie Dir sind mitunter schnell von den sozialen Medien verschwunden. Vielleicht kontaktierst Du sie mal. Eure Erfahrungen können euch gemeinsam helfen. Am Ende motiviert ihr euch gar!

Integriere nun eine Gewohnheit nach der anderen in Dein Leben. Frei vom Wettkampfgedanken. Du als Mensch musst zuerst funktionieren. Dann erst bist Du Athlet.

In schweren Fällen versäume nicht einen Arzt oder therapeutische Hilfe aufzusuchen.

In einem Gespräch mit Nadine Vomm (Deutsche Meisterin der Bikiniklasse 1 aus 2018) fand ich einmal heraus: Deine Wettkampfvorbereitung darf sich in den Lebensmitteln kaum von Deiner Off-Season unterscheiden. Lediglich Deine Mengen und Makronährstoffe variieren. Wer fett wird, tut das nicht ohne Grund: Du bist nun mal, was Du isst.

Mit Grüßen von Herzen, eure Susi