„Welchen Stoff hast Du denn genommen?“ Diese Frage wurde mir häufig von Sportskollegen gestellt, denen meine körperliche Veränderung auffiel und reichlich suspekt vorkam. Meine Antwort war stets dieselbe: „Gar keinen“. Die Reaktionen meiner Gesprächspartner gingen über Ungläubigkeit bis hin zum Gelächter. Ich wollte sie offensichtlich auf den Arm nehmen. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass meine Verwandlung von einem, nun sagen wir „massiven“, 104 kg schweren Körper in einen austrainierten, ca. 87 kg auf die Waage bringenden Athleten ohne die Einnahme von Dopingmitteln möglich war.

Der nun folgende Erfahrungsbericht wird dem Leser sicherlich einige Anregungen zur Gestaltung seines Trainings- und Ernährungsprogramms geben. Es ist anzumerken, dass der nachfolgende Trainings- und Ernährungsplan speziell auf die Bedürfnisse meines Körpertyps und meiner Lebenssituation abgestimmt war. Da wir z.B. bezüglich des Stoffwechsels und der Möglichkeit der Zeiteinteilung nicht alle die gleichen Voraussetzungen haben, wird der Erfolg für jeden Leser bei Umsetzung der Trainings- und Ernährungstipps unterschiedlich ausfallen.
Wer weiß, ob nicht bei korrekter Anwendung einiger Vorschläge der eine oder andere von Ihnen zu ähnlichen oder gar noch besseren Resultaten gelangt als ich. Auf jeden Fall würde ich mich über die Mitteilung der Erfahrungen sehr freuen.

 

Im November 1992 stand ich an einem Wendepunkt. Ich trainierte mittlerweile schon seit einigen Jahren, bedingt durch Lehre und Studium, mehr oder weniger intensiv. Aber immer mit der Vorstellung und dem Gefühl, ein Bodybuilder zu sein. Zu Beginn meines Trainings hatte ich niemanden, der mir Tipps zum Aufbau des Trainingsprogramms gab. Allein die „Sportrevue“ , das heute nicht mehr erscheinende „Athletik-Sportjournal“, und später die amerikanische Zeitschrift „Flex“, gaben mir die nötigen Informationen und Motivation, die ich für mein Training brauchte. Ich kann mich noch gut an das Gefühl erinnern, welches ich beim Betrachten der Bodybuilder hatte, besonders angetan war ich von Athleten wie Frank Zane, Arnold Schwarzenegger und Mike Mentzer. Ich wollte auch irgendeinmal zu aussehen. In meiner Unbekümmertheit sah ich mich schon als Mr. Olympia. Dass dazu mehr nötig ist, als hartes Training und Super-Ernährung, war mir am Anfang nicht bewusst.

Damit wir uns richtig verstehen – ich bewundere die Top-Athleten im Bodybuilding sehr und habe großen Respekt vor deren Leistung. Wer sich im Bodybuilding bereits auskennt, kann sich vielleicht vorstellen, wieviel Disziplin im Training und der Ernährung, überhaupt im ganzen Lebensstil notwendig ist, um eine derartige Körperentwicklung zu erreichen. In dieser Hinsicht ziehe ich meinen Hut vor den Spitzenathleten. Leider muss man aber wohl annehmen, dass zum Erreichen der Weltklasse-Form auch Dopingmittel eingesetzt werden. Damals wusste ich nichts über Doping, und es gab meines Wissens auch noch keine so große Vielfalt an Dopingmitteln, wie sie heutzutage in der Szene zu finden sind. Wie mag sich wohl der Teenager fühlen, der die heutigen Muskelmagazine aufschlägt und Athleten erblickt, die absolut unreal, fast schon nicht mehr menschlich aussehen?

Aber kehren wir noch einmal kurz zurück in die Vergangenheit. Die erwähnten Magazine zeigten jeden Monat Trainingsprogramme der Spitzenathleten und veröffentlichten ebenso regelmäßig Artikel über die Ernährungserfordernisse des Bodybuilders. Aufgrund dieser Anregungen experimentierte ich mit einer Vielzahl von Trainingsprogrammen und Ernährungszusammenstellungen. Um noch tiefer in die Materie der gesunden und sportartspezifischen Ernährung einzudringen, entschied ich mich nach dem Abitur für eine Lehre im Reformhaus. Danach fühlte ich mich zwar schon besser informiert über die Zusammenhänge einer gesunden Ernährung und Wohlbefinden, aber wie sich ein Bodybuilder ernähren sollte, der am Muskelaufbau interessiert ist, wurde nicht unbedingt klarer.
Nach einem Jahr der autoditaktischen Weiterbildung nahm ich das Studium der Oecotrophologie auf. Nach dem Studium wollte ich mich ganz auf das Bodybuilding konzentrieren. Und wenn auch nur vorübergehend für ein halbes Jahr. Sozusagen als Belohnung für meinen Studienabschluss.
Ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg im Bodybuilding im Bodybuilding ist der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, Zuversicht und Selbstvertrauen. Ich glaubte an mich und mein Potential, und so erstellte ich mir einen Trainings- und Ernährungsplan für die folgenden sechs Monate (siehe nachfolgend im Text).

Für mich war von vorneherein klar, dass ich auf die Einnahme von Dopingmitteln, wie z.B. Anabolika, verzichten wollte. Aus meiner Trainingspraxis hatte ich bereits Erfahrungen mit dem einen oder anderen Sportskollegen gemacht, der gedopt war. An zwei von ihnen erinnere ich mich noch ganz besonders. Besser gesagt, an den Rücken, der von kleinen Pickeln übersäht war, und das häufige Nasenbluten des einen während des Trainings. Ein anderer Trainingskamerad hatte die bekannten „Bitch Tits“ entwickelt, d.h. eine Wucherung im Brustbereich, die dazu führt, dass die männliche Brustmuskulatur schon teilweise groteske Ähnlichkeit mit der weiblichen Anatomie bekommt.
Da diese beiden Kameraden ganz offen die Einnahme von Hormonpräparaten zugaben (was bemerkenswert ist, da viele Anabolka-Benutzer jegliche Einnahme abstreiten), war mir klar, dass diese Fehlentwicklungen nicht etwa aus der Einnahme von Eiweißpulver oder Vitaminpräparaten resultierten.

Ich wollte meinen Körper gesund erhalten und nicht mit Hormonpräparaten bombardieren. Also entschied ich mich für ein Training auf Naturalbasis. Hartes, geplantes Training und eine bedarfsgerechte Ernährung sowie optimale Regeneration sollten meine körperliche Veränderung begründen – nicht Chemie!

Ich brauchte ein Studio, wo ich hart trainieren konnte. Die Anwesenheit von anderen Sportkollegen war mir nicht wichtig, denn ich war bis in die Fingerspitzen motiviert, das Optimale aus meinem Körper herauszuholen (wenngleich mein späterer Trainingspartner mir eine sehr große Hilfe war, ohne ihn hätte ich es nicht geschafft).
Da ich ein ausgesprochener Morgenmensch bin, war es für mich wichtig, schon in aller Frühe ans Eisen gehen zu können. So schaute ich mir einige Studios an, aber irgendetwas hielt mich stets davon ab, eine Mitgliedschaft in dem einen oder anderen Studio zu vereinbaren.
Endlich fand ich ein Studio mit einem sogenannten Power-Raum. In diesem spartanisch eingerichteten Raum gab es nicht viel, nur schweres Eisen und unter anderem einen Kniebeugenständer (welcher für mich sehr wichtig war), eine stabile Beinpresse und eine Drückerbank sowie eine Schrägbank. Der Raum war ca. 40 Quadratmeter groß. Der Teppich hatte auch schon bessere Zeiten erlebt, ein Radio aus Großmutters Jahrhundert sorgte für musikalische Untermalung der Trainingseinheiten. Ich wusste, das ist der Ort, an dem ich meine Ziele am ehesten würde verwirklichen können. Dort herrschte eine ganz eigene, sehr motivierende Atmosphäre. Kein Schnickschnack wie verchromte, glänzende Hanteln oder Grünpflanzen in der Ecke. Ja, ich fühlte, hier konnte ich pures, hartes Bodybuilding machen. Als sehr nützlich erwiesen sich auch die Spiegel an den Wänden, so konnte ich stets meine Form überprüfen.

Dass zu meinen Trainingszeiten noch kein Trainer anwesend war, störte mich nicht, doch ich spürte, dass mir eine Trainingspartnerschaft gut tun würde.
Eine Handvoll Bodybuilding-Begeisterter traf sich immer morgens gegen 6 Uhr zum Training. Mir fiel ein sehr schmächtiger Bodybuilder auf, der stets eisern trainierte, und ich entschied mich, einen Versuch mit ihm zu wagen, die richtige Einstellung schien er zu haben. Wir trafen uns also zu unserem ersten Training, und ich spürte, das ist der ideale Partner. Trotz seiner hohen Arbeitsbelastung und seiner familiären Verpflichtungen  war er stets motiviert und trainierte sehr hart. Auch seine Fortschritte in den nächsten sechs Monaten konnten sich sehen lassen. Er wurde mir eine außerordentlich wichtige Hilfe zur Erreichung meiner Ziele. Ich bin ihm heute noch dankbar für die tolle Zeit, eine Zeit, in der wir bei jedem Training bis an unsere Leistungsgrenze gingen. Wir waren von einer solchen Energie erfüllt, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben wahrgenommen hatte. Der Körper wurde immer stärke und leistungsfähiger, wir trainierten und in einen wahren Rauch hinein.
Und ich genoss jedes Training. Wusste ich doch, und vor allem spürte ich, dass ich mit jedem weiteren Satz und mit jeder einzelnen Wiederholung meinem Ziel, das Beste aus meinem Körper herauszuholen, näher kam.
Wir trafen uns nun regelmäßig jeden Morgen um 6 Uhr im Studio, Das bedeutete für mich, dass um 5 Uhr früh die Nacht zu Ende war und der Kaffee die Lebensgeister wecken musste.


Während der Kaffee durchlief, packte ich meine Sportsachen in den Rucksack und bereitete meine erste Mahlzeit des Tages vor, die Haferflockenwaffeln https://youtu.be/Lq9JphD1tZA

welche das Frühstück nach dem Training waren. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und schrieb die Übungen für das kommende Training mit Satzzahlen und angestrebten Wiederholungen auf. Um mich vollständig auf das folgende Training einzustellen, stellte ich mir die Übungen im Geiste vor und stimmte mich so mental auf das Training ein. Dazu trank ich den heißen, frisch aufgebrühten Kaffee und nahm als erstes Ergänzungskonzentrat 600-900mg Carnitin, eine Substanz, die als „Fett Burner“ bezeichnet wird und zum schnelleren Fettabbau beitragen soll. Carnitin schlug bei mir sofort an.

 

Anschließend schnallte ich mir meinen Rucksack um und schwang mich auf das Mountain-Bike, mit dem ich die ca. 5 km ins Studio fuhr. Dieser Beginn des Trainings war immens wichtig. Zum einen wurde der Körper erwärmt, so dass ich immer mit einem leichten Schweißfilm auf der Haut im Studio ankam und so zu sagen „Ready for Action“ war. Zum anderen wurde natürlich durch diese Form der Belastung und der fehlenden Nahrungsaufnahme der Fettabbau stark beschleunigt. Ich trainierte grundsätzlich auf nüchternen Magen. Meine Glykogenvorräte waren erschöpft, und der Körper fing somit schon sehr früh mit der Verbrennung von Fettdepots zur Energiegewinnung an.

Das eigentliche Training mit den Gerichten begann grundsätzlich mit einem oder zwei Sätzen und  kurzem, leichtem Dehnen der Muskulatur. Dann wurde es ernst. Wir attackierten die jeweils anliegenden Muskelgruppen mit aller uns zur Verfügung stehenden Kraft und mit äußerster Konzentration. Mein Partner wusste genau, wann und wie viel er mir helfen musste, wenn wir zum Beispiel mit intensiv-oder Negativwiederholungen arbeiteten.

Er war mir auch eine große Unterstützung bei den sogenannten abnehmenden Sätzen. Ohne ihn wäre die Durchführung dieser Trainingsart nicht möglich gewesen. Ich hätte alleine niemals die Intensität erzielen können, die notwendig ist, um optimale Trainingsfortschritte zu erreichen. Die Trainingszeit lag bei maximal 90 Minuten, und wir trainierten jeweils zwei Muskelgruppen zusammen. Nach dem Training, noch vor dem Duschen, nahm ich sofort meine Aminosäuren ein. Schließlich ist der Bedarf an Aufbaustoffen in der Muskulatur nach dem Training besonders hoch.

Nach der Dusche fühlte ich mich jedes Mal wie neu geboren und einfach großartig. Mein Partner und ich setzten uns dann in der Regel noch kurz zusammen, sprachen über das Training und machen Pläne für den nächsten Tag. Dabei verzehrte ich die Haferflockenwaffen. Diese Waffen lieferten mir genau die Nährstoffe, die ich nach dem Training so dringend benötigte. Reichlich Protein und nur gerade so viele Kohlenhydrate, das diese nicht in den Fettdepots eingelagert wurden, sondern direkt in die Muskulatur bzw. in die Leber transportiert wurden und dort als Energielieferant zur Verfügung standen. Als Konzentrat nahm ich jeden zweiten Tag ein sogenanntes „Power-Pack“ zu mir, eine Kombination aus Vitaminen und Mineralstoffen sowie weiteren Aminosäuren.

Nach dem Training fuhr ich dann entspannt mit dem Fahrrad nach Hause, atmete ganz tief und ruhig ein und aus und ging das vergangene Training noch einmal im Kopf durch. So wurde mein Körper mit Sauerstoff versorgt und hatte es so viel leichter, die hohe Menge an Laktat (Milchsäure) abzubauen, die beim Training mit Gewichten anfällt. Auch mein Herz-Kreislauf-System konnte sich wieder langsam beruhigen. Das ca. 20-minütige „lockere“ Fahrradfahren zum Abschluss der Trainingseinheit ist somit eine ideale Maßnahme, um die Belastung langsam ausklingen zu lassen.

Zuhause angekommen, legte ich mich grundsätzlich eine halbe Stunde bis 45 Minuten hin; wie ich später erfahren sollte eine ganz wichtige Maßnahme, da sich so unter anderem das Hormonsystem schneller erholt. Falls Sie die Möglichkeit haben, sich nach dem Training kurz hinzulegen bzw. auszuruhen, so sollten Sie dies wirklich tun – es lohnt sich.

Durch genaues Beobachten meiner körperlichen Reaktionen auf die Nahrungsaufnahme stellte ich fest, dass ich die Aufnahme von Kohlenhydraten sehr stark einschränken musste, um gute Definition bzw. Fettreduktion zu erzielen. Im Laufe des Tages achtete ich darauf, ca. alle 3 Stunden zu essen.

Ich nahm pro Mahlzeit 30-50g Protein zu mir und hielt den Anteil an Kohlenhydraten bei ca. 100-130 g täglich. Abends ging ich dann rechtzeitig zu Bett, spätestens um 22:00 Uhr, denn um 5:00 Uhr früh begann ein neuer Tag, der wieder viel Energie von mir verlangen würde. All die Entbehrungen in der Ernährung, die Schmerzen im Training und das Einschränken meines Privatlebens nahm ich nur allzu gern auf mich, wusste ich doch, dass ich diese Maßnahmen ergreifen musste, um mein Ziel zu erreichen. Die fast täglich sichtbaren Veränderungen an meinem Körper zeigten mir, dass ich auf dem richtigen Weg war.

Als Resümee dieser harten, aber schönen Zeit kann ich sagen, dass sich die Investition von Zeit, Schweiß und Geld für mich persönlich mehr als bezahlt gemacht hat. Das Gefühl von Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie die sich daraus entwickelnde positive Lebenseinstellung kann man nicht erkaufen, dieses Gefühl muss erarbeitet werden.

Bodybuilding. Erfolgreich, natürlich, gesund

von Berend Breitenstein

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